HIMALANA - FAIR GEHANDELTE WOLLE VOM DACH DER WELT
Zwei Jahre hat es gedauert bis aus einer wilden Idee Wirklichkeit wurde: 6000 Schafe, die ihre Sommer auf Hochweiden im Himalaya nahe der Grenze zu Tibet verbringen, sind jetzt biozertifiziert. Von diesen Schafen stammt Himalana, die erste biozertifizierte und fair gehandelte Wolle vom „Dach der Welt“.
Das Himalana Projekt verbindet Biozertifzierung und fairen Handel, Umweltschutz und die Wirtschaftlichkeit einer traditionellen Lebensform mit einem herausragenden Produkt: Himalana Wolle. Himalana-Schafe liefern dank ihrer Herkunft unterschiedliche Wollarten in besonders guter Qualität. Sie ist für viele Produkte von Kleidung bis Teppiche geeignet.
Das Konzept von Himalana, das als Pilotprojekt im Sangla Tal begann, wird derzeit auf das benachbarte Rohru Tal ausgeweitet: 24000 weitere Schafe sind nun biozertifiziert und ihre stolzen Besitzer und Hirten können die Himalana Wolle unter Bedingungen des Fairen Handels vermarkten.
DAS HIMALANA PROJEKT
Wer kommt auf die Idee, Schafe in entlegenen Teilen des indischen Himalayas bio-zertifizieren zu lassen und ein Fair Handelskonzept aufzubauen?
Zwei Schwaben und ein Inder: Norbert Baldauf, Martin Kunz und Sushanto Mittra.
Mehr über das Projekt, wie es funktioniert, wem es nützt und über die Teppiche, die bereits aus Himalana Wolle von indischen Weberinnen ebenfalls unter Fairen Handelsbeziehungen gewebt werden, erfahren Sie auf dieser Seite.
Das himalana Projekt – gefördert von develoPPP.de
Mit dem develoPPP.de-Programm fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Engagement der Privatwirtschaft dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitischer Handlungsbedarf zusammentreffen. Das BMZ unterstützt Unternehmen bei innovativen Projekten und unternehmerischen Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die einen langfristigen Nutzen für die lokale Bevölkerung haben.
Norbert Baldauf ist Gründer der Naturbettwarenfirma PROLANA. Bio und fair gehörte von Anfang an (seit 1987, um ganz genau zu sein) zu den Prinzipien von Prolana. Die phantastischen Eigenschaften von Wolle faszinieren ihn. Kennengelernt hat er sie als Mitbegründer einer Schäfereigenossenschaft. Deshalb kann er, wenn's absolut sein muß auch immer noch ein Schaf scheren.
Dr. Martin Kunz ist ein Pionier des fairen Handels. Er hob das ursprüngliche internationale Fairtrade Siegel TransFair mit aus der Taufe, war der erste Generalsekretär von Transfair International, dem Vorläufer von FLO (dessen erster Geschäftsführer Martin ebenfalls war). Konzepte für den Fairen Handel zu entwickeln– in manchmal entlegenen Regionen der Welt, für Menschen mit ganz verschiedenen Arbeits- und Lebensbedingungen und unterschiedlichste Produkte - sowie der Aufbau von Fairhandelsketten sind noch immer das, was er tut. Er kennt und liebt Indien, seit er in den 70iger Jahren 18 Monate lang in Kalkutta Sozialarbeit leistete.
Sushanto Mittra hat Wirtschaftswissenschaften studiert und ist ein so begnadeter Tüftler, daß er eigentlich Schwabe ehrenhalber werden müßte. Die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Holzspielzeug (für den europäischen Markt) und klappbaren Holzmöbeln (für den indischen Markt) gehört zu seinen langjährigen Projekten. Die Erinnerung an die Monate, in denen er Kleinbauern in Mizoram, einem der kleinsten und entlegensten Staaten ganz im Osten Indiens bei der Biozertifizierung und der Suche nach Absatzmärkten half, läßt ihn noch immer ins Schwärmen geraten.
Genau wie Norbert und Martin ist Sushanto davon überzeugt, daß sich durch den fairen Handel die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen verbessern lassen. Für alle drei steht außerdem fest, daß biologische Landwirtschaft und Tierhaltung gut sind für die Landwirte, die Verbraucher und die Umwelt. Und sie teilen die Sorge um die Stabilität von Ökozonen, besonders wenn sie so fragil sind wie die Bergwelt der Himalaya Region. Und plötzlich flogen die Gedanken von Hochweiden zu Schafen zu Hirten und Haltern, Wolle, Biozertifizierung, fairem Handel.... genannt das Himalana Projekt.
DAS SANGLA TAL – WO HIMALANA SCHAFE GRASEN
Das Sangla-Tal ist das erste Gebiet in den an Tibet angrenzenden Himalaya-Hochtälern, in dem biozertifizierte Schafherden gehalten werden. Über 2 Jahre wurden hier die Schafhalter und Hirten ausgebildet und die Zertifizierung durchgeführt. Heute können sie sich rühmen, die ersten in Indien zu sein, die biozertifizierte Schafschurwolle erzeugen.
Helle Punkte, die sich langsam über die grünen Bergwiesen bewegen, mehr ist auf die Distanz zunächst nicht zu erkennen. Erst wenn man die Schotterstraße verlässt und zu Fuß den steilen Hang erklimmt sieht man sie deutlich: hunderte Schafe mit ihren Lämmern, dazu ein paar Ziegen, die gemessenen Schrittes und systematisch grasend über die Bergweide ziehen. Zwei rot-braune Hütehunde beobachten die Herde aufmerksam, die beiden Hirten haben Zeit auf einem Holzfeuer Tee zuzubereiten – mit frischer Ziegenmilch und Salz.
Die Sommerweide einer der biozertifizierten Himalana-Herden liegt auf einer Höhe von etwa 4000m und nach Chitkul, dem Ort am oberen Ende des Sangla Tals sind es rund 4 Stunden zu Fuß – jedenfalls für die Hirten, die selbst in der sauerstoffarmen Luft ein enormes Tempo vorlegen. Bis zu einer Höhe von 5000m erstrecken sich die Sommerweiden anderer Herden, eine Tagesreise und mehr entfernt von der nächsten Siedlung, umgeben nur von Felsen und schneebedeckten Siebentausendern. Hier irgendwo verläuft die Grenze zu Tibet.
In dieser Höhe sind selbst im Sommer die Nächte kalt, entsprechend dicht ist das Fell der Schafe. Bevor sie sich ab Mitte September auf den langen Weg zu den Winterweiden in den warmen, tief gelegenen Tälern machen, werden sie geschoren: Das Fließ ist Himalana Wolle.
Auf Saumpfaden gehen die Herden, begleitet von Hirten und Hunden, Tal abwärts. Vorbei an Chitkul, einem Dorf mit traditionellen, aus Holz gebauten und mit reichen Schnitzarbeiten verzierten Häusern. Vor dem Tempel mit seinen von Drachen umschlungenen Holzsäulen wehen buddhistische Fahnen. Die Nähe zu Tibet ist überall spürbar. Jetzt, Anfang September, wird Heu für die Kühe eingebracht. Für mehrere Monate im Winter ist Chitkul eingeschneit und kann monatelang völlig von der Außenwelt abgeschnitten sein.
Je näher die Herden dem Ausgang des Sangla Tals kommen, desto lieblicher wird die Landschaft: die schneebedeckten Gipfel und Felswände bieten den Obstbäumen, die durch das sich verändernde Klima inzwischen bis zu einer Höhe von 3000m wachsen, Schutz vor Kälte und zu viel Niederschlag. Äpfel, Aprikosen und sogar Mandeln gedeihen hier und sind für die Bauern neben der Schafhaltung zur wichtigsten Einnahmequelle geworden.
Erst seit dem Bau der Straße ist das Tal überhaupt wirtschaftlich erschlossen, können die Menschen, die im Sangla Valley leben in drei Stunden Fahrt die Distrikthauptstadt Peo erreichen und ihre Produkte – Obst, Erbsen und natürlich vor allem die frisch geschorene Wolle – zum Weiterverkauf und zur Verarbeitung transportieren. Und über diese einspurigen, an manchen Stellen unbefestigten, in den Fels gesprengten Straßen, auf der zwei Autos einander nur an den wenigen Ausweichstellen passieren können, kommen auch alle lebensnotwendigen Güter vom Öl zum Kochen bis zum Baumaterial wie Zement und Ziegel ins Sangla Tal.
Mindestens zwei Tage Fahrt über Pässe und ungezählte Serpentinen sind es bis in die Ebene, 350km. Die Himalana Schafe, Hirten und Hunde legen zu den ihnen in staatlichen Forsten zugewiesenen Winterweiden dieselbe Distanz zurück, möglichst abseits der Dörfer, entlang schmaler Saumpfade und durch dichte Wälder. Im Schnitt acht Wochen dauert die Wanderung von den Sommerweiden im Sangla Tal bis zu den Winterweiden in Nahan, fast in der Ebene. Bis Ende April werden die Schafe dort auf Weiden und in lichten Wäldern grasen. Nach der Schur gehen sie erneut auf Wanderschaft bis sie im Juni wieder die Sommerweiden am Dach der Welt erreicht haben.
VON SCHAFEN UND HIRTEN
Es gibt auch paar schwarze unter den Himalana Schafen, dazu braune, graue oder auch gefleckte, die Mehrzahl jedoch ist weiß. Alle haben große, ausdrucksstarke Augen, Ohren, die aufmerksam aufgestellt werden, wenn man sich ihnen nähert, oder schlapp herunterhängen wenn es gilt, sich ausschließlich aufs Grasen zu konzentrieren. Dazu vereinen die Schafe die typischen Merkmale der Rassen aus denen sie gekreuzt wurden: das dichte, lange und weiche Fell ist typisch für Rambouillet Merinos, eine ursprünglich aus Spanien stammende Rasse, die im 18. Jahrhundert auf der königlichen Musterfarm in Rambouillet bei Paris weiter gezüchtet und später weltweit exportiert wurde. Ihren kräftigen Körperbau, ihre robuste Gesundheit, ihre Kraft und Ausdauer verdanken die Himalana Schafe der aus der Region stammenden mütterlichen Linie, den Rampur Bushair. Ob sie wunderbar weiche Wolle liefern aus denen sich hervorragende Anzugstoffe herstellen lassen oder ob ihre Wolle stark gekräuselt ist und damit ideal für die Teppichherstellung, liegt an der Ahnenreihe. Und bei der Schafschur heißt das; gut sortieren.
Schafhaltung hat auch in Indien eine lange Tradition, denn Wolle ist für die Menschen in den Hochtälern des Himalaya lebensnotwendig: kaum ein Material wärmt besser und schützt so gut vor Wind und Schnee. Nicht nur die Hirten tragen noch immer dichte, aus Wolle gewebte Jacken und Hosen, für eine Braut gehört eine Wollstola mit einer breiten, bunten Webborde selbstverständlich dazu. Etwa 50kg Wolle (das Fließ von etwa 30 Schafen) benötigt eine Familie im Sangla Tal jährlich für den Eigenbedarf.
Bis zu einer Höhe von 5000m erstrecken sich die Hochweiden, auf den die Schafe grasen, doch bereits Mitte September kann hier der erste Schnee fallen, der die Weiden für bis zu sechs Monate bedeckt halten wird. Den Winter verbringen die Schafe daher auf den mehrere hundert Kilometer entfernten, tiefer gelegenen Waldweiden und über die Zeit haben Schafhalter und Behörden ein ausgeklügeltes, streng kontrolliertes System für die Wanderherden entwickelt.
Sommer- und Winterweiden sowie die Transitrouten, die die Herden nehmen können, sind exakt kartografiert. Ebenfalls genau erfasst sind Schafhalter und Schafe (die Böcke sogar mit Foto). Welche Herden auf welchen Weiden grasen und welche Transitrouten sie nutzen wird amtlich festgelegt, dokumentiert und kontrolliert.
In jedem Dorf sind ein oder zwei Schafhalter dafür zuständig, die Schafe und Ziegen verschiedener Besitzer (manche haben 50 oder 60 Schafe, andere mehrere hundert) zu einem sogenannten Toli zusammenzustellen, die Schur organisieren die Besitzer selbst. Die Toli oder Herden bestehen aus 600 bis 900 Tieren, entsprechend viele Hirten müssen angestellt, ausgestattet und über die Saison versorgt werden.
Ihre Aufgabe ist es, die Tiere auf der langen Wanderroute zu begleiten – keine einfache Aufgabe: sie müssen von Gärten und Obstanlagen ferngehalten, frisch geborene Lämmer müssen getragen werden. Unterwegs lauern Viehdiebe und wilde Tiere, insbesondere Panther und Bären. Große braune Hütehunde helfen die Herde zusammenzuhalten und wenn's schnell gehen muss, dann müssen die Ziegen die Herde anführen und den Schafen mit ihrem Tempo Beine machen. Für diese schwierige und verantwortungsvolle Arbeit werden die Hirten mit Schafen entlohnt, die dann in der nächsten Saison mit ihren Besitzern in der Hauptherde mit auf Wanderschaft gehen.
ZWEI SCHÄFER STELLEN SICH VOR
Am späten Vormittag hockt Danraj Pistan vor einem kleinen Holzfeuer und kocht Tee, mit frischer Ziegenmilch und Salz – eine Getränk, an das sich Neulinge in den Bergen erst gewöhnen müssen. Eine über eine Schnur gespannte und mit großen Steinen befestigte blaue Plane bietet Windschutz.
Sechs Schäfer schlafen nachts unter diesem Behelfszelt, dazu ein halbes Dutzend Ziegenbabys, die es regelmäßig schaffen, einen weichen Liegeplatz zu finden. ‚Ein oder zwei haben wir ganz gern mit im Zelt‘, lacht Danraj,‚sie halten wunderbar warm‘. Die Herde (Toli) die er gemeinsam mit den anderen Schäfern hütet umfasst 1500 Tiere, 900 Schafe, der Rest sind Ziegen.
Die kleinen Lämmer bleiben eng bei ihren Müttern, die neugierigen Ziegenbabys werden tagsüber in einem Ziegenkindergarten beaufsichtigt, damit die Mutterziegen gemolken werden können.
Mit 45 Jahren ist Herr Pistan einer der ältesten und erfahrensten Schäfer in der Gruppe, seit 25 Jahren betreut er Herden im Sangla Tal. Wie fast alle Hirten in Sangla stammt er aus dem benachbarten Rohru Tal. Doch was auf der Karte wie eine kurze Distanz aussieht ist in der Realität eine Reihe von schneebedeckten Bergketten und Felswänden.
Zugänglich ist das Tal nur über eine einzige Straße - und die ist im benachbarten Bundesstaat, ein Umweg von etwa 500 km. Die Abgeschlossenheit des Tals hat dazu geführt, dass es außer Subsistenzlandwirtschaft kaum Einkommensmöglichkeiten gibt und sich deshalb viele Männer in Sangla als Hirten verdingen. Ihre Familien sehen sie lediglich einmal im Jahr, während ihres üblicherweise nur vierwöchigen Urlaubs.
Zur Schule ging Danraj Pistan bis in die fünfte Klasse. Die Familie besitzt gut einen halben Hektar Land, der Anbau von Gemüse für den Eigenbedarf und die Pflege der rund 35 Apfelbäume ist Frauensache; auch Danrajs Vater war Hirte. Auf den Hochweiden im Sommer und auf den Waldweiden im Winter brechen die Hirten ihr Lager etwa alle sieben Tage ab und ziehen weiter – ein beinahe geruhsamer Rhythmus im Vergleich zu den drei bis fünf Monaten im Jahr, in den sie mit der Herde auf den Transitrouten unterwegs sind.
Die Zeltplane, eine Decke, ein für Holzfeuer geeigneter Dampfkochtopf für Dal (mit Zimt, Koriander und Kreuzkümmel gewürzte Linsen, die mit Reis und Fladenbrot gegessen werden), ein bisschen Geschirr aus Stahl, ein wenig Proviant – mehr haben die Hirten nicht dabei, denn alles muss getragen werden, entweder von den Ziegen oder den Hirten selbst. Nur wenige Hirten besitzen ein Maultier für den Lastentransport.
Alle paar Tage muss einer der Männer zum nächsten Ort gehen, um Lebensmittel zu besorgen. ‚Gerade sind wir nicht weit von Chitkul entfernt' sagt Danraj, es sind nur vier Stunden Fußmarsch ... Die Hirten wechseln sich bei den Aufgaben ab. Den Ziegenkindergarten zu beaufsichtigen gehört nicht zu Danrajs Lieblingsbeschäftigungen, er ist lieber mit den Schafen auf den entlegeneren Weiden unterwegs, das erfordere mehr Geschick und Verantwortung.
Schäfer wie Danraj kennen jedes der Tiere, sie sehen sofort, ob eines lahmt oder ein Lamm nicht trinkt. In der Betreuung werden die Hirten vom staatlichen Veterinären unterstützt, die überall Stationen haben und die mit den in der biologischen Tierhaltung zugelassenen Behandlungsmethoden vertraut sind. Und gelegentlich sind die Hirten als Geburtshelfer gefordert, einige Schafe lammen auf der Wanderung zu den Winterweiden. Die Schafmütter sind schon Minuten später wieder auf den Beinen, aber die Lämmer werden den Rest des Weges von einem Hirten auf dem Arm getragen.
Von Chitkul, dem höchst gelegenen Ort im Sangla Tal zieht sich eine Schotterstraße in die Berge und in Richtung der tibetischen Grenze. Auf mehreren der Hochweiden grasen Schaf- und Ziegenherden. Einer der Schäfer sitzt auf der Straßenböschung, neben sich drei prall gefüllte Säcke mit Wolle. Sie stammt von seinen Schafen, die in der Herde für die er als Hirte angestellt ist, mitlaufen. Etwa die Hälfte der Wolle wird er verkaufen, erzählt er, den Rest braucht die Familie. Raijun ist 51 Jahre alt und stammt wie Danraj aus dem Rohru Tal.
In ein paar Wochen wird die Reise zu den Winterweiden beginnen und dort wird er die Hälfte seiner Schafe verkaufen. Vom Erlös muss nicht nur seine Familie ein Jahr lang leben, Rs 50.000 (das entspricht ca. Euro 670) beträgt das Schulgeld für den älteren Sohn, der an einem College in Rohru-Stadt studiert. Sein jüngerer Sohn wird bald Abitur machen, die kleine Tochter ist mit sechs Jahren gerade in die Schule gekommen. Er hofft, dass alle seine Kinder einen Beruf erlernen werden, Hirte soll keiner werden. Seine Familie besitzt ein kleines Stück Land mit einigen Apfelbäumen.
Der Erlös aus der Apfelernte hilft ebenfalls, die Ausbildung der Kinder zu finanzieren. Raijun ist froh, die Hochweiden bald zu verlassen: nachts fallen die Temperaturen bereits auf den Gefrierpunkt. Die Nächte auf den Winterweiden mögen wärmer sein, die Arbeit mit den Schafen wird dafür schwieriger, sie müssen enger zusammengehalten und streng beaufsichtigt werden, die Gemüsegärten der nahe gelegenen Dörfer locken.
Aber an ungestörten Schlaf ist sowieso nicht zu denken. Jeweils zwei Hirten haben drei Stunden lang Nachtwache, selbst auf einer Höhe von 4000 m gibt es hier noch Wälder in denen Panthern und Bären zuhause sind. ‚Vorgestern hat während meiner Nachtwache ein Panther die Herde angegriffen', erzählt Danraj, Hirte einer anderen Herde, ‚wir haben ihn mit Steinen und viel Lärm vertrieben'.
Besonders auf der Wanderung zu den Winterweiden durch die Wälder häufen sich die Angriffe, die Hunde müssen zum Schutz breite Metallhalsbänder mit nach außen gerichteten Zacken tragen am Hals tragen - nur dann haben sie gegen die Wildtiere eine Chance. ‚Natürlich habe ich Angst', sagt Danraj,‚ aber die Tiere zu schützen, das ist Teil meines Jobs'.
HIMALANA UND DER FAIRE HANDEL
Das Himalana Projekt für biozertifizierte Schafschurwolle aus den Hochtälern des indischen Himalaya ist das erste und bisher einzige seiner Art. Für das Projektteam war die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in der Region von Anfang ein gleichwertiges Ziel – umgesetzt durch ein Fair-Handelskonzept.
Die Schafhalter und vor allem die Hirten profitieren vom Himalana Projekt: zum einen bekommen sie einen konsistent besseren Preis für Himalana Wolle, zum anderen durch Fair Trade Projekte. Wichtig ist, dass die Menschen selbst bestimmen, welche Projekte finanziert werden.
Zum Beispiel die Beiträge für eine Lebensversicherung, die jetzt übernommen werden: Die Himalana Schafhalter und Hirten sprachen sich selbst klar für diese Fair Trade Leistung aus, da sie das Leben jedes einzelnen sofort verbessern würde. Denn die Frage, was aus der Familie wird, wenn der Hauptverdiener – der Schafhalter oder Hirte – ums Leben kommt, beschäftigt jeden hier.
Für die Lebensversicherungen arbeitet das Himalana Projekt mit der UCO Bank in Rakcham zusammen, der höchst gelegenen Bankfiliale im Sangla . Um die Versicherung abschließen zu können, müssen die Hirten zunächst ein Konto eröffnen. Viele der Schafbesitzer besitzen bereits eines, aber bislang kaum ein Hirte. Das sei kein Problem, erklärt der stellvertretende Leiter der Filiale, alles was man dazu brauche sei ein Ausweis mit Foto und eine feste Adresse.
Und er sagt zu, dass die Bank einen ‚banking correspondent' einstellen werde, ein Beruf (meist im Nebenerwerb), den es erst seit wenigen Jahren in Indien gibt. Der ‚banking correspondent' bekommt ein kleines Gerät, einem Kreditkarten Lesegerät nicht unähnlich, das Fingerabdrücke erkennen kann. In Absprache mit den Kunden werden Dienstzeiten vereinbart, z.B. in Chitkul dem 10km entfernten, letzten Dorf im Sangla Tal. Teilweise kommt der ‚banking correspondent' sogar zu den Hirten auf die Weide. Sie können Geld abheben und einzahlen und der ‚banking correspondent' bekommt für jede Transaktion Rs10 von der Bank – das motiviert, guten Service zu bieten und neue Kunden zu werben.
Mit ihrem Konto bekommen die Hirten auch ein Scheckbuch mit Scheckkarte. In weniger entlegenen Gegenden können sie Transaktionen alternativ über ihr Mobiltelefon ausführen. Dass die durch die Fair Trade Prämie finanzierten Lebensversicherungen im Nebeneffekt dazu führen, dass die Himalana Hirten jetzt auch Bankkonten haben werden, ist ein sehr wichtiger, positiver Schritt. Bislang müssen die Hirten vor allem auf der Wanderung zwischen Sommer- und Winterweide größere Summen Bargeld mit sich führen um z.B. Proviant zu kaufen.
Jetzt können die Schafbesitzer das Geld überweisen und die Hirten sind vor Überfällen besser geschützt. Und auch Betrüger haben keine Chance mehr: Einer der Himalana Hirten, Danraj Pistan verlor seine gesamten Ersparnisse als er sie Männern anvertraute, die sich als Agenten einer Bank ausgaben. Mit einem Konto und den Fingerabdruck-Lesegeräten der ‚banking correspondent' ist solcher Missbrauch ausgeschlossen.
Und wenn ein Hirte ein Jahr lang sein Konto ohne Probleme geführt hat, kann er einen Kredit aufnehmen – zu banküblichen Zinssätzen. Gerade in Notfällen wie z.B. einem Todesfall sind bisher viele Familien gezwungen, zu einem Geldverleiher zu gehen und einen Jahreszins von 300% und mehr zu zahlen. Die Lebensversicherung ist für Himalana Schafbesitzer und Hirten der ideale Start des Fair Trade Projekts.
DIMPLE NEGI - HIMALANA SCHAFE STARTEN BIO-TREND
Dimple sitzt in einem der zahlreichen gepolsterten Sessel im pink und hellblau gestrichenen Repräsentationsraum des Hauses und strahlt. Ihr Schwiegervater wisse natürlich noch viel besser über die Herde Bescheid, sagt sie, aber es sei schon richtig, seit drei Jahren sei sie für Organisation und Management allein verantwortlich.
600 Schafe und Ziegen besitzt die Familie, aber die Herde, das Toli, für das Dimple verantwortlich ist besteht aus 1800 Tieren. Insgesamt 16 Familien haben sich für das Toli zusammengeschlossen, manche Familien besitzen nur ein paar Dutzend Schafe, andere mehrere hundert.
Die Negis und die übrigen Anteilseigner dieser Herde leben in Batserie, einem schönen Dorf in der Mitte des Sangla Tals, umgeben von Obstbaumanlagen. Das Toli zu führen ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die mit Ansehen, Respekt und Autorität verbunden ist, aber nicht finanziell entlohnt wird. Zu Beginn der Saison muss Dimple die Hirten anstellen und die Konditionen für deren Arbeit aushandeln. Die meisten Schäfer bewerben sich Jahr um Jahr wieder um einen Job bei ihr, Dimple ist es wichtig, dass die Männer ihre Arbeit gern machen, ‚wenn die Hirten zufrieden sind, kümmern sie sich besser um die Tiere'.
Sieben Schäfer betreuen die Herde, alle stammen aus dem entlegenen Rohru Tal. Jeder bekommt vier Monate Urlaub im Jahr, zwei im Frühjahr und zwei im Herbst, deutlich mehr als bei anderen Herden üblich. Und auch die Bezahlung ist auch deutlich besser.
Während der gesamten Saison muss Dimple dafür sorgen, dass die Hirten Proviant bekommen oder genug Geld haben, um einzukaufen. Einer der Schäfer ist am Vorabend ins Dorf gekommen, um Lebensmittel abzuholen: Reis, Gewürze, Linsen und Gemüse aus dem Garten der Negis. Nach einem Ruhetag wird er mit den Vorräten für die Woche wieder in einem achtstündigen Fußmarsch zu seinen Hirtenkollegen zurückkehren.
Am Ende der Saison addiert Dimple die Kosten für Löhne, Proviant und Ausrüstung wie z.B. Wolldecken und berechnet entsprechend den Anteil, den die einzelnen Familien zu zahlen haben – je höher die Zahl der Schafe in der Herde, desto mehr muss gezahlt werden.
Wenn sie von den Hirten spricht wird klar, dass sich Dimple bewusst ist, wie schwer und hart die Arbeit ist, die die Männer leisten. Dass die Prämien für eine Lebensversicherung aus dem Fair Trade Projekt bezahlt werden findet sie eine sehr gute Idee. Sie weiß, wie schnell Familien in Notlagen geraten – sie hat eine Liste mit den Telefonnummern aller Familienmitglieder der Hirten, die wiederum wissen, wie Dimple zu erreichen ist. Sie stellt sicher, dass in Notfällen Nachrichten zwischen Hirten und Familien schnell und zuverlässig übermittelt werden.
Eine sinnvolle Anschaffung für die Schäfer wären bessere Zelte und leichte Solarlampen – Dimple würde in Zukunft gern enger mit Himalana zusammenarbeiten, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Hirten zu verbessern. Wenn sie nicht mit der Herde beschäftigt ist oder sich um ihre neun Monate alten Zwillinge kümmert unterrichtet sie an der Dorfschule in Batserie. Eigentlich wäre sie gern Dozentin für Geschichte an einem College in Shimla (berühmt als die Sommerhauptstadt Indiens während der Zeit der britischen Herrschaft) geworden.
Aber dann verliebte sie sich während des Studiums in einen Kommilitonen und zog nach der Hochzeit zurück ins Sangla Tal. Sie genießt jetzt die Zeit mit ihren beiden kleinen Söhnen, denn mit dreieinhalb Jahre werden sie in eine Vorschule gehen – ebenfalls in Shimla, zehn Autostunden entfernt, wirklich gute Schulen gibt es nur dort, sagt Dimple. Eine gute Ausbildung hat Vorrang, darüber ist sich die ganze Familie einig, selbst wenn das bedeutet, dass Eltern und Kinder fast das ganze Jahr getrennt leben müssen.
Ebenfalls wichtig ist Dimple die Ernährung der Familie. In einem Garten hinter dem großen, mit Holz verkleideten und Schnitzereien geschmückten Haus zieht sie Gemüse für den Eigenbedarf, selbstverständlich ohne Einsatz von Kunstdünger und chemischen Spritzmitteln. ‚Biologisch anbauen nützt uns allen', sagt sie.
Die Biozertifizierung der Himalana Schafe hat für sie den Ausschlag gegeben die Fläche mit den 100 in diesem Jahr neu gepflanzten Apfelbäume von Anfang an biologisch zu bewirtschaften. ‚Im Moment ist die Nachfrage nach Bio-Obst bei den Händlern noch gering', sagt sie, aber in Hotels und Restaurants in Shimla gebe es zunehmend Bioprodukte. ‚Und in sieben oder acht Jahren, wenn unsere Bäume zu tragen beginnen, werden viele Kunden verstanden haben, dass Bio-Obst und Gemüse gesünder ist, für sie, für uns Bauern und für die Umwelt.'
JAWAHARLAL THAKUR – VOM LEBEN IN DÜNNER LUFT UND LANGEN WINTERN
Auf 3450m ist Chitkul der höchst gelegene Ort im Sangla Tal. Steile Pfade und Treppen verbinden die alten, oft mit schönen Schnitzereien versehenen Häuser, mehrere Tempel und viele kleine aufgeständerte Speicher für Viehfutter.
Auch das Haus von Jawaharlal Thakur ist im traditionellen Stil gebaut: über eine seitliche Treppe gelangt man auf einen breiten Flur von dem auf der einen Seite zwei Zimmer und die Küche abgehen, auf der anderen Seite hat man einen Blick auf die schneebedeckten Berge am Ende des Tals.
Die holzverkleideten Decken und Wände des Wohnzimmers und die vielen bunt gewebten Decken und Kissen erinnern im Stil an traditionelle Bauernhäuser in den europäischen Alpen. Mit 1500 Schafen ist die Herde der Thakurs die größte in Chitkul. Gemeinsam mit seiner Frau Sarina Devi bewirtschaftet Jawaharlal außerdem knapp 1,5 ha Land. Neben Gemüse für den Eigenbedarf baut er Erbsen an, die in diesem Teil des Sangla Tals besonders gut gedeihen und in ganz Nordindien ob ihres besonders guten Geschmacks renommiert sind.
Nach der Ernte werden die Erbsenpflanzen (von Hand) als Viehfutter gemäht – jetzt im Herbst hängen überall Bündel von Erbsengrün auf Zäunen und Bäumen zum Trocknen. Weiter unten im Tal besitzen die Thakurs noch ein Stück Land mit etwa 100 Apfelbäumen, in Chitkul selbst ist das Klima für den Anbau von Obst (noch) zu rauh. Daß er einmal Bauer werden würde, hatte sich Jawaharlal nicht unbedingt träumen lassen.
Er war 25 als sein Vater plötzlich starb und er war der einzige Sohn, der die Landwirtschaft übernehmen konnte. Seine beiden älteren Brüder studierten, einer ist heute Dozent für Geologie, der andere Beamter. Jawaharlals jüngerer Bruder ist ebenfalls in Chitkul geblieben, er betreibt ein kleines Restaurant und einen Laden, in dem viele der Hirten während der Sommermonate regelmäßig Proviant einkaufen.
Jawaharlal Thakur beschäftigt neun Hirten. September ist für alle ein arbeitsreicher Monat. Die Lämmer kommen auf die Welt, 250 werden es in diesem Jahr sein, meint Jawahrlal. Und bevor es auf die lange Wanderung zu den Winterweiden geht, müssen die Schafe geschoren werden. Eine anstrengende Zeit – für die Hirten und für Sarina Devi, die alle abends mit einem warmen Essen versorgen muß.
Noch ist es tagsüber warm, aber schon Mitte September kann in Chitkul der erste Schnee fallen. Zwischen Januar und April ist der Ort oft völlig von der Außenwelt abgeschnitten, selbst die Schneeräumfahrzeuge der Armee brauchen manchmal Tage, bis sie die einzige Zufahrtsstraße geräumt haben.
Der winterliche Alltag ist für die Bewohner von Chitkul kein Problem, aber bei medizinischen Notfällen kann die Lage schnell dramatisch werden. ‚Wir haben einen ayurvedischen Arzt (ausgebildet in traditioneller indischer Heilkunde) im Dorf,aber keine Hebamme’, erzählt Jawaharlal Thakur, der sich noch gut an den 27. Februar 2015 erinnert: ‚Unsere Nachbarin war hochschwanger, das Kind in Steißlage, wir wußten, wir müssen sie nach Rakcham bringen’. 10km sind es bis dahin.
Die Männer bahnten zunächst eine Spur und trugen dann die Nachbarin auf einer Bahre. Das Kind kam während des Transports tot zur Welt, aber das Leben der Nachbarin konnte gerettet werden. Die Thakurs haben zwei Kinder, den neunjährigen Sidarth und die 13-jährige Prinan. Beide leben bei Jawaharlals Bruder im etwa 300km entfernten Ort Solan, weil sie nur dort eine Schule besuchen können, in der Englisch unterrichtet wird. ‚Wir telefonieren ein paar Mal am Tag miteinander’, sagt Sarina Devi.
Die Trennung fällt allen schwer, aber die Ausbildung hat Vorrang, darüber sind sich die Eltern einig. Beide sollen die Chance haben, einen Beruf zu ergreifen, der ihnen entspricht. ‚Sie werden eine Familie haben und wir werden sehen, wo sie einmal leben werden’, sagt Jawahrlal. ‚Aber irgendwann werden sie nach Chitkul zurück kommen. Hier sind ihre Wurzeln’.
BALDEV SINGH – SCHAFE SICHERN UNSERE EXISTENZ
Baldev Singh trägt nicht nur die im Sangla Tal übliche, traditionelle Kappe aus grauem Wollfilz mit grünem Samtaufschlag, auch seine Hosen und seine Jacke sind aus Wollstoff gefertigt. Seine Frau hat das Garn gesponnen, ein Weber in seinem Dorf hat den Stoff gewebt und natürlich stammt die Wolle von Baldev Singhs eigenen Schafen.
50kg Wolle oder das Fließ von 30 Schafen braucht die Familie – Baldev Singh, seine Frau und die vier Kinder – pro Jahr für Kleidungsstücke, Schals und Decken. Herr Singh besitzt 500 Schafe und jetzt, in der ersten Septemberwoche, werden sie geschoren.
Zwar sind das Jahr über die Schafe verschiedener Besitzer gemeinsam in großen Herden – Toli genannt – unterwegs, doch die Schur seiner Tiere organisiert jeder Schafhalter selbst. Baldev Singh hat einen regulären Scherplatz auf halbem Weg zwischen seinem Heimatdorf Rakcham und Chitkul am oberen Ende des Sangla Tals. Gemeinsam mit den Ziegen warten die Schafe hinter einer gemauerten Einfassung. Ziegen gehören mit zur jeder Herde: Sie liefern frische Milch, tragen Lasten und zu festlichen Anlässen wird eine geschlachtet – geschoren werden die Ziegen jedoch nicht. Die Schafe warten geduldig und ohne jede Aufregung bis sie von einem der Helfer zu einem der drei Scherer gebracht werden. In Baldev Singhs Herde ist das Scheren in diesem Jahr für einige Schafe - und Scherer - eine flotte Sache: Eine deutsche Nichtregierungsorganisation hat zwei elektrische Schermesser finanziert und damit dauert das Scheren nur noch ein drittel der Zeit. Die elektrischen Messer, die aussehen wie die überdimensionierte Version der Geräte, die ein Friseur benutzt, um bei menschlichen Kunden mit Kurzhaarfrisur den Nacken zu rasieren, erlaubt ein viel gleichmäßigeres Scheren und erhält damit die hohe Qualität der Wolle. Und es bedarf deutlich mehr Kraftanstrengung, um ein Schaf mit manuellen Scheren von seinem Fließ zu befreien, schon nach kurzer Zeit haben die Scherer Blasen an den Händen. Übrigens: Das regelmäßige Scheren gehört zur veterinärmedizinisch notwendigen Pflege der Schafe. Die Wolle würde sonst einfach weiter wachsen und bald das Wohlbefinden und die Gesundheit der Schafe beeinträchtigen.
Betrieben werden die elektrischen Messer über eine Autobatterie. Das Himalana-Projekt hat testweise ein Solarpanel finanziert, mit dem die Batterie jetzt kontinuierlich und vor allem umweltfreundlich über Sonnenenergie geladen werden kann. Baldev Singh ist froh über die Zusammenarbeit mit Himalana. Früher kamen Händler zu den Scherplätzen und kauften so viel wie sie benötigten, den Rest konnten die Schafhalter zu geringen Preisen nur an eine staatliche Organisation verkaufen.
Das Himalana Projekt nimmt festgelegte Mengen ab, stellt Säcke für das sortierte Fließ zur Verfügung und zahlt gute Preise – es geht darum, eine gleichbleibend hohe Qualität der Wolle zu sichern und es geht um den fairen Umgang mit den Himalana Produzenten. Wie viele andere Schafbesitzer auch, hat Baldav Singh ein Zusatzeinkommen von den etwa 50 Apfelbäumen, die er gepflanzt hat, doch den größeren Teil des Lebensunterhalts für sich und seine Familie verdient er mit seiner Schafherde. ‚Die Schafe sichern unsere Existenz', sagt er, die langen Winter im Sangla Tal könne man nur mit Kleidung und Decken aus Wolle überstehen, nichts anderes wärme so gut. ‚Und nur mit Wolle können wir genug Geld zum Leben verdienen.'
HIMALANA – DIE FAIR GEHANDELTE WOLLE VOM DACH DER WELT...
...UND WAS MAN AUS IHR MACHEN KANN.
Auch auf den bis zu 5000 m hoch gelegenen Bergweiden im Himalaya kann es im Sommer heiß werden, in der Nacht jedoch kühlen die Temperaturen dramatisch ab. Schafe sind von der Natur ideal ausgestattet, um mit solchen Temperaturschwankungen zurecht zu kommen. Schafwolle hat eine besondere Struktur, die Fasern können etwa ein Drittel ihres Gewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und rasch an die Luft abgeben – das Fell sorgt so dafür, daß es dem Schaf nicht zu heiß wird. Andererseits umschließen die fein gekräuselten Wollfasern ein Luftpolster, das an kalten Tagen isolierend wirkt. Die nach der Schur gewonnene Wolle behält diese temperaturregelnden Eigenschaften und macht Schafschurwolle damit zu einem wunderbaren, vielfältig einsetzbaren Material: für Bekleidung – vom Anzugstoff über Pullover und Schals bis hin zu den Socken, als Füllmaterial für Decken und Kissen, als Isoliermaterial, von Wandzwischenräumen bis zum temperaturregulierten Transport von Lebensmitteln oder für die Herstellung von Teppichen. Und genau damit hat das Himalana Team den Anfang gemacht: in Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation Unnayan fertigen jetzt indische Weberinnen Teppiche aus Himalana Wolle – natürlich zu Fair Trade Konditionen.
Vom Dach der Welt in Ihr Wohnzimmer – fair gehandelte Teppiche aus Himalana Wolle
Reine Schafschurwolle hat ganz besondere Eigenschaften: sie ist temperaturregulierend, weich, dennoch strapazierfähig und pflegeleicht – ein ideales Material für die Herstellung von Teppichen. Gefertigt werden sie in einer besonders benachteiligten Region ganz im Osten des Nordindischen Staates Uttar Pradesh.
Für die Teppiche aus Himalana Wolle arbeitet das Himalana Team deshalb mit der indischen Nichtregierungsorganisation Unnayan zusammen. ‚Vor 18 Jahren habe ich zum ersten Mal versucht, zusammen mit Unnayan ein Fair Handelskonzept für die Teppichweberinnen und Knüpfer aufzubauen und einen Absatzmarkt in Europa zu schaffen. Wir sind damals weit gekommen, aber letztlich sind wir an einer mangelnden Nachfrage gescheitert,‘ sagt Dr. Martin Kunz, der Fair Trade Spezialist im Himalana Team. ‚Mit Himalana Wolle eröffnen sich v.a. dank Norbert Baldauf von Prolana ganz neue Möglichkeiten und gerade bei den sozial und wirtschaftlich extrem benachteiligten Teppichweberinnen läßt sich mit einem Fair Trade Projekt wirklich etwas bewirken. Dass es nach so langer Zeit nun doch mit den Fair Trade Teppichen geklappt hat, das freut mich wirklich‘.
SELBSTBEWUSST, KOMPETENT UND MIT EIGENEM EINKOMMEN - DIE UNNAYAN TEPPICHWEBERINNEN
Leichtfüßig steigt Vijaya Rai vom Sozius des Motorollers. Sie ist klein, zierlich und trägt einen schlichten Sari. Sie spricht leise aber eindringlich wenn sie von Unnayan und den Teppichweberinnen erzählt. Ungefähr 50km östlich von Varanasi, der heiligen Stadt am Ganges, liegt das Zentrum der indischen Teppichindustrie. Frau Rai kennt die Region um die Städte Mirzapur und Bhadohi gut, sie wuchs in einem Dorf in der Nähe von Varanasi auf. Sie ist Gründerin von Unnayan, eine Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Einkommensmöglichkeiten besonders für Frauen zu schaffen.
Sie weiß um die oft bittere Armut der Menschen hier, ganz im Osten von Uttar Pradesh, einem der bevölkerungsreichsten Staaten Indiens. Das Land in der äußerst fruchtbaren Gangesebene ist im Besitz weniger Großgrundbesitzer, die meisten Familien besitzen kein Land, außer Steinbrüchen gibt es kaum Industrie. Die Männer können sich oft nur als Tagelöhner verdingen, vor allem junge Leute ziehen auf der Suche nach Arbeit in die Slums der Großstädte.
Gemeinsam mit ihrem Mann Bimal gründete Frau Rai 1994 Unnayan. Die Herstellung von Teppichen hat nicht nur eine lange Tradition, sie ist auch aus anderen Gründen ideal: Die Frauen können in der Regel zuhause arbeiten, Hausarbeit und Betreuung der Kinder lassen sich flexibel mit ein paar Stunden am Webstuhl kombinieren.
Unnayan organisierte Gruppen von Frauen, die nach einem sechsmonatigen Training jeweils gemeinsam für einen Webstuhl verantwortlich waren. ‚Bis 2000 hatten wir wirklich gute Jahre', erzählt Frau Rai, ‚manche Familien hatten schon einen Teppichwebstuhl, andere schafften einen an. Mehr als 150 Frauen hatten ein regelmäßiges Einkommen'. Doch dann blieben die Aufträge aus Europa aus. ‚Wir hatten einfach keinen verlässlichen Partner', sagt Vijaya Rai. Das ist jetzt anders.
Das Rohmaterial ist die biozertifizierte, fair gehandelte Himalana Wolle. Unnayan garantiert die faire Entlohnung der Weberinnen und trägt mit Weiterbildung und Beratung dazu bei, dass Sie einen perfekt gewebten Teppich aus Himalana Wolle erhalten.
PREMIUM TEPPICHE AUS HIMALANA SCHAFSCHURWOLLE
Alle Teppiche sind GOTS zertifiziert und fair produziert. Webteppiche und Florteppiche Tuft sind zudem FSC und FAIR Rubber zertifiziert. Es finden jährliche Audits durch GOTS und FSC zugelassener Organisationen statt.
WEITERE SORTIMENTE AUS DEM HIMALANA PROJEKT
Polsterstoffe Wolle / Seide GOTS
Neben dem Thema GOTS Schafschurwolle wurde im Rahmen des Himalana Projektes ebenfalls GOTS Wildseide erschlossen. Aus dieser Kombination entsteht einer der hochwertigsten Polsterstoffe, die es in GOTS Qualität gibt.
Yogamatten – GOTS & FSC
Himalana Yogamatten verfügen über eine Schafschurwollfilz-Oberfläche aus GOTS zertifizierter Himalana Wolle. Die Unterseite besteht aus einer FSC und Fair Rubber zertifizierten Naturlatex-Beschichtung. Diese verhindert, dass die Yogamatte auf dem Boden rutscht und bietet damit jederzeit sicheren Halt.
WENN DER AUFTRAG FÜR EINEN WOHNZIMMERTEPPICH DAS ÜBERLEBEN SICHERN HILFT ... MOHAMED HAROON UND SEINE FAMILIE
Hohe, unebene Stufen führen zum Haus und der Werkstatt der Haroons. Gemeinsam mit einigen weiteren moslemischen Familien leben sie am Rande des Dorfs. Elf Familienmitglieder wohnen in zwei Räumen, in einem dritten wird die Wolle gelagert.
Auf dem kleinen, sauber gefegten Vorplatz sind die Frauen der Familie dabei, Wolle nach Farben zu sortieren und auf Weberschiffchen zu wickeln. Nebenan schützt ein Wellblechdach acht Webstühle vor Sonne und Regen. Die Rahmen sind auf dem Boden über einer Grube montiert, so dass die Weber bequem sitzen und die Pedale zum Heben und Senken der Schäfte unter dem Webstuhl mit den Füßen problemlos bedienen können.
Mohamed Haroon hat die Werkstatt aufgebaut, aber inzwischen hat sein ältester Sohn, der 30-jährige Mohamed Iqram, die meisten Aufgaben übernommen. Niemand in dieser Familie hatte je die Chance, regelmäßig eine Schule zu besuchen und lesen zu lernen. Dafür können sie mit Zahlen umgehen und auch extrem komplizierte Teppichmuster perfekt und mit großer Schnelligkeit von einer Skizze auf den Webrahmen umsetzen. Gerade hat die Familie Aufträge mit denen sie monatlich etwa 12-15.000Rs (160-200 Euro) verdienen.
Mohamed Iqrams Frau Shana Begum bereitet an der offenen Feuerstelle hinter dem Haus eine einfache Mahlzeit für die Familie zu: Dal, mit verschiedenen Gewürzen gekochte Linsen und Reis. Neben ihr spielt ihre Tochter, die zweieinhalbjährige Mumtazar. Auch sie wird irgendwann Teppiche weben, sagt Vater Mohamed Iqram. Vier Ziegen besitzt die Familie, aber kein Land.
Er habe schon überlegt, ob er nicht versuchen solle, in einer Stadt wie Delhi Arbeit zu finden, erzählt er, aber er wolle seinen Vater und die Geschwister nicht allein lassen.
Hat er Träume für die Zukunft? Er schüttelt den Kopf. ‚Ich kann darüber nicht nachdenken', sagt er, ‚alles hängt davon ab ob man Geld hat oder nicht. Nicht nur wie, sondern ob wir leben hängt davon ab.'
Durch die Zusammenarbeit mit Unnayan stellt das Himalana-Projekt sicher, dass Familien wie die von Mohamad Haroon für Teppiche aus Himalana Wolle einen fairen Lohn für ihre Arbeit bekommen. Wenn es genügend Aufträge gibt könnten so für Mohamed Iqram vielleicht Träume wahr werden: seine drei Schwestern und die beiden Brüder könnten heiraten und eigene Familien gründen.
VON TEPPICHEN, FRAUENPOWER UND REISEPLÄNEN ... MUNI BEGUM UND IHRE TÖCHTER
Die beiden Webstühle sind an der geschützten Seite des Hauses unter einer Überdachung untergebracht. Das Klacken der Holzpedale mit denen Muni Begum und ihre Tochter Farida Bano die Schäfte bewegen ist über das Gespräch und fröhliche Lachen der Frauen kaum zu hören.
Mit auf der Bank sitzt auch Jahanara, mit 17 die jüngste der sieben Geschwister. Die drei Frauen sind in wollene Schals und Tücher gehüllt, im Januar ist es auch in Nordindien kalt, nachts können die Temperaturen fast bis auf den Gefrierpunkt sinken.
Muni Begums Mann ist Tagelöhner in der Bauindustrie und verdient umgerechnet etwa 80 Euro im Monat. Ihr ältester Sohn ist vor einigen Jahren zusammen mit seiner Familie nach Mumbai gezogen und schickt den Eltern jeden Monat ebenfalls 80 Euro.
Muni Begum gehört zu den ersten Frauen in ihrem Dorf, die 2002 begannen, mit Unnayan zusammenzuarbeiten. Bis dahin habe sie ‚in purdha' gelebt, das bedeutet sie habe das Haus nur selten und wenn dann nur tief verschleiert verlassen. Und von einem Mann hätte sie sich gewiss nicht fotografieren lassen, sagt Muni Begum - und lacht in die Kamera. Über Unnayan habe sie gelernt, dass Frauen Rechte haben: Frauen können arbeiten und Geld verdienen, eigenständig Entscheidungen treffen, auf Reisen gehen und reden mit wem sie wollen.
Mit den beiden Webstühlen verdienen Mutter und Tochter derzeit umgerechnet etwa 40 Euro pro Monat. Ihr Mann sei einverstanden, dass sie arbeite, erzählt Muni Begum, schließlich könne die Familie das zusätzliche Einkommen gut brauchen.
2014 sei sie zusammen mit ihrer Mutter und anderen Unnayan Frauen sogar nach Dehli zu einer Frauenkonferenz gereist, unterbricht Farida Bano. Sie hätten ein großes Bündel selbst gewebter Schals mitgenommen und an einem Messestand verkauft. Das war eine phantastische Reise, ergänzt ihre Mutter, und Delhi sei eine wundervolle Stadt: Die Frauen könnten einfach überall hingehen, es kümmere niemanden was sie tun, während hier im Dorf immer jeder alles über jeden wisse.
Farida Bano und Jahanara haben beide die Schule besucht. Natürlich würden sie heiraten, sagen beide, aber arbeiten wollten sie trotzdem. Sie habe mit 14 geheiratet, sagt Begum Muni, das sei zu früh und bevor ihre Töchter heirateten sollten sie erst ein Handwerk wie z.B. Teppichweben lernen. Sie träume davon eine Frauengruppe zu organisieren, die Schals webt und bestickt, wirft Farida Bano ein. Alle paar Monate würde sie dann nach Kalkutta oder Delhi reisen um sie zu verkaufen.
Ihre Mutter hat noch größere Pläne: Wenn sie mit Aufträgen für Himalana Teppiche genug Geld verdienen könnte, um etwas zu sparen, dann werde sie eine kleine Werkstatt mit einem weiteren Webstuhl einrichten, der auch für feine Schals geeignet seien. ‚Dann könnten wir hier alles machen, vom Teppich bis zur Wollstola'.
WENN JEDE RUPIE ZÄHLT ... LANGE TAGE AM WEBSTUHL: ANJU
Anjus riesiger Webstuhl steht im Hof des kleinen Hauses in der Dorfmitte. Kanchan, ihre vierjährige Tochter sitzt neben ihr, sie ist die jüngste von sechs Töchtern. Am Holztor angebunden und gegen die Kälte des Januarmorgens mit einem roten Pullover bekleidet steht Munmun, Kanchans zahme Ziege.
Mit der begrünten Pergola und den zahllosen Topfpflanzen ist der Hof eine fast idyllische Oase. Fast. Von morgens 10 Uhr bis abends um 20 Uhr sitzt Anju am Webstuhl – auch während sie mit uns spricht schaut sie kaum auf – das Webstück muß auftragsgemäß fertig werden.
Trotz der langen Arbeitstage verdient sie monatlich nur etwa 2.000Rs, weniger als 30Euro. Aufträge erhalten die Weber in der Regel von Subunternehmern, die wissen, daß die meisten gezwungen sind für Hungerlöhne zu arbeiten. Weber und Weberinnen wie Anju bekommen oft nur einen Bruchteil des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns.
Anju braucht jede Rupie. Ihr Mann hat einen kleinen, mobilen Marktstand und verkauft Kleidung. Selbst in einem guten Monat ist sein Verdienst gering, in einem schlechten Monat weiß Anju kaum, wie sie die Familie ernähren soll. Noch leben vier ihrer Töchter zuhause, bis auf Kanchan, die kleinste, gehen all zur Schule. Danach teilen sie sich die Hausarbeit und kochen, denn dafür hat Anju keine Zeit. Weben soll keine ihrer Töchter lernen, sagt Anju, sie hofft, daß alle einen Mann finden, der genug Geld verdient, um seine Familie zu ernähren.
Die beiden ältesten Mädchen sind verheiratet und leben in benachbarten Dörfern. Und von den noch im Haus lebenden Töchtern darf so schnell keine Heiratspläne haben: Eine Hochzeit auszurichten kostet Geld und das haben Anju und ihr Mann nicht.
Hat Anju Träume, was wünscht sie sich für ihre Kinder? ‚Fragen Sie mich nicht danach’, sagt sie, ‚mit dem, was ich verdiene ist es besser, darüber gar nicht erst nachzudenken.’ Vielleicht hat sie recht, noch ist nicht sicher, ob es genug Aufträge für alle Unnayan Teppichweberinnen geben kann. Aber die Frauen, die die Himalana Wollteppiche weben, bekommen dafür einen fairen Lohn – zum gesetzlichen Mindestlohn kommt ein 15%iger Fair Trade Aufschlag für die Weberinnen und Weber.
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